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Greenwashing 1. Akt: Ökologisch-soziales Stockholmsyndrom.

Aktualisiert: 28. Juni 2023


Vorderseite eines grünen Autos

Geld waschen. Werte waschen

„Für schwarzes Geld haben wir die Geldwäsche, für schwarze Schafe Public Relations“ Erwin Koch, Autor von „Beim Denken abgefallen… Notizen eines gnadenlosen Federkiels“, 2006

Seit Serien wie „Narcos“ oder „Ozark“ ein prominentes Thema in der Netflix- oder Amazon Prime-Welt: Geldwäsche. Und was passiert hier? Genau! Der eigentliche Ursprung des Geldes wird vertuscht und es wird reingewaschen. Beim Greenwashing ist es ganz ähnlich. Hier wird kein Geld, sondern Worte und in Folge das Gewissen des Kaufenden reingewaschen. Ein nettes Beispiel aus einem alljährlich stattfindenden Spektakel:


„The same procedure as every year, James”. Dinner For One gehört für viele Menschen zu Silvester dazu wie der Tannenbaum zu Heiligabend. Ähnlich ist es mit dem Feuerwerk. Zwar werden Kritikerstimmen immer lauter. Doch auch nach 2-jähriger Corona-Zwangspause konnte sich das von Vielen geforderte Feuerwerks-Verbot nicht durchsetzen. Aber kein Problem! Plötzlich gab es – wie als trotzige Gegenstimme der Kritiker – ganz „umweltschonendes“ Feuerwerk! Weniger Plastik, weniger laut und Co2-neutral. Also Böllern mit besserem Gewissen.


Ausschnitt eines Aldi-Propektes

Möchte man Greenwashing in kürzester Form zusammenfassen, könnte man das wohl am ehesten mit den Worten „Mehr Schein als Sein“. Denn der beim Verbraucher kreierte Eindruck, wie nachhaltig ein Produkt oder Unternehmen angeblich erscheint, ist oft falsch. Die Wahrheiten, wahren Fakten und Hintergründe werden aber lieber unter den Teppich gekehrt.

„Wir machen das ganz Schlechte jetzt richtig gut.“ Kathrin Hartmann, Journalistin & Produzentin von Filmen wie „The Green Lie“

Greenwashing bedeutet also reine Rhetorik, die das Gute verspricht, um das Schlechte zu verbergen. Eine passende Beschreibung im zunehmend ausufernden Charakter von Greenwashing bietet uns auch Brophy Haney:

"Greenwashing involves companies either misleading consumers about the green credentials of a product or service, or misleading consumers about the environmental performance of the company as a whole. Historically, big business has been able to get away with greenwashing because there has been limited understanding of what ‘green’ means, and a plethora of different definitions and certifications with little standardisation." Brophy Haney, Lecturer of Innovation and Enterprise, University of Oxford (Quelle).

Greenwashing ist vor allem in zwei Bereichen zum festen Bestandteil der Aktivitäten vieler Unternehmen geworden (Quelle):

  • irreführende Marketingstrategien und

  • ungenaue Berichterstattung.


Beides geht häufig Hand in Hand. Am ehesten entsteht Greenwashing aber im ersten Bereich, sprich im Marketing und der Werbung.


Glückliches Schwein, echt jetzt?


Im Marketing ist es recht üblich is geworden, dass ein Unternehmen die Farbe seiner Produktverpackung oder aber gar seinen ganzen Außenauftritt verändert. Das „grün werden“ von McDonalds werden die meisten von uns noch mit einem staunenden Blick mitbekommen haben. Und beim Blick in das Kühlregal des Supermarkts siehst Du es doch auch: Da steht sie, die glückliche Kuh auf der Weide. Oder das Schwein, welches sich scheinbar an der schönsten Landschaft zusammen mit Artgenossen erfreut.

Muttersau mit Ferkel

Oft findest Du solche Bilder auf Produktverpackungen von Fleisch wie Wurst. Schnell entsteht als erster Impuls der Eindruck, Du würdest hier „vernünftiges“ und „gutes“ Fleisch kaufen. Was immer das eigentlich auch bedeutet. Denn der Preis ist gerade bei diesen Lebensmitteln schon lange kein sicheres Indiz mehr dafür, wieviel Qualität und Sorgfalt tatsächlich in Produktion und Lieferkette gewaltet haben.


Klimaneutrales Tanken, echt jetzt?


In letzter Zeit vermehren sich Begriffe wie „klimaneutral“ & Co. auf wundersame Weise in den Supermärkten und anderen Verkaufstempeln. Und mittlerweile auch beim Tanken: Du fährst zu Shell – und tankst dort ganz easy „klimaneutral“. Einfach mit 3 Cent pro Liter mehr etwas tiefer in die Tasche greifen und dann, mit bestem Gewissen, rauf auf die Autobahn. Das dem nicht so ist, wurde längst nachgewiesen und von der Deutschen Umwelthilfe mit einem goldenen Geier versehen. Und selbst zum „Unwort“ wurde "klimaneutral" jüngst deklariert (Quelle). Dennoch hat das Wort eine angenehme Wirkung auf unser Bauchgefühl.



Blick auf eine Shell-Tankstelle

Unter anderem die NGO Client Earth beschäftigt sich mit solchen und anderen irreführenden Umweltaussagen von Unternehmen. Hier ein Beispiel einer aus ihrer Sicht eindeutig trügerischen Kampagne aus dem Energiesektor:





Greenwashing - Bin ich schuld?


„Es ja geht niemand in den Laden und sagt, er hätte gerne ein 1-Euro T-Shirt, das von Kindern produziert wurde.“ Kathrin Hartmann, Quelle

Greenwashing begegnet Dir ständig im Alltag. Oft machst Du dir wahrscheinlich selbst nichts vor: Du weißt, dass Dir etwas vorgegaukelt wird, was nicht der Wahrheit entspricht. Und manchmal ist das Greenwashing so offensichtlich, dass uns allen eigentlich nur noch die Kinnlade runterkippen kann.


Doch spannend ist: Greenwashing ist alles andere als ein neues Phänomen. Der Begriff geht auf die 80er Jahre zurück (Quelle), genauer auf den Umweltschützer Jay Westerveld. Hätten wir als aufgeklärte Verbraucher*innen nicht längst schon mal reagieren können?


Kathrin Hartmann spricht hier von einem „ökologisch-soziales Stockholmsyndrom“ (Quelle): Wir alle können ganz einfach unser hohes Konsumlevel halten und trotzdem was Gutes tun. Wir WOLLEN den Versprechen glauben. Doch der Gegenwind nimmt zu.


Die Nachhaltigkeitsplattform UTOPIA empfiehlt mittlerweile, jede „Werbeaussage mit nachhaltigem Touch zunächst kritisch“ zu betrachten und stellt dem mündigen Kaufenden folgende orientierende Fragen an die Seite, sobald auf den Produkten und Leistungen von „umweltgerecht“, „klimaneutral“ oder „biologisch“ gesprochen wird (Quelle):

  • Handelt es sich dabei letzten Endes nur um ein Ablenkungsmanöver, um klimaschädliches Handeln unter den Tisch zu kehren?

  • Widerspricht das Geschäftsmodell des Unternehmens den Grundsätzen der Nachhaltigkeit, auch wenn einzelne Produkte davon abweichen?

  • Haben die beworbenen Produkte oder Maßnahmen überhaupt etwas mit dem Kerngeschäft des Unternehmens zu tun?

  • Womit verdient das Unternehmen das meiste Geld?

  • Gibt es ernsthafte Bestrebungen, klimaschädliche Aktivitäten einzustellen?

Das sind plausible Empfehlungen. Einzig braucht es dazu: Echtes Engagement und Willen, hinter die Produkt- und Unternehmenskulissen zu schauen.

  • Will ich das?

  • Kann ich das?

Da wären wir wieder bei Kathrin Hartmann und ihrem brillanten Begriff des ökologisch-sozialen Stockholmsyndroms.


Der Weg aus dem fiktiven grünen Paradies muss erst gefunden werden. Dieser erscheint zunächst eher als unübersichtlicher schmaler Trampelpfad, bei dem manchmal nicht zu erkennen ist, ob er nach links oder rechts führt - dank ausgeklügelter Werbestrategien. Doch es führt ein Weg heraus - sogar ein sehr deutlicher. Doch bevor wir auf den eingehen, schauen wir uns diese ausgeklügelten Praktiken näher an ...





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