Einleitung
Die Kreislaufwirtschaft erlebt im Rahmen des politischen Green Deals eine wahre Renaissance. dilitik hat der Wegwerfgesellschaft den Kampf angesagt, und alle warten nun gespannt auf neue Vorgaben und Regularien aus der EU. Im Rahmen der Kreislaufwirtschaft nimmt verständlicherweise das Thema "Recycling" einen zentralen Stellenwert ein. Und gleichfalls lässt sich an diesem Thema vortrefflich zeigen, welche Fallstricke die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft in der Unternehmenspraxis aufweisen können.
Sie lesen folgend:
Alles, was Sie schon immer mal über Plastik wissen wollten oder jetzt schlicht wissen sollten
Hürden in der Umsetzung einer transparenten Lieferkette für Unternehmen anhand des Beispiels "Recycling"
Inwiefern das deutsche und europäische Lieferkettengesetz lässt den Wind rauer wehen
Ausblick, welche neuen Wege es gibt
Nachhaltige Kreisläufe gesetzlich verankern
Die Kreislaufwirtschaft ist der Kern des europäischen Green Deals und hat zum Ziel, den Lebenszyklus von Produkten zu verlängern und Stoffkreisläufe zu schließen. Dies beginnt bei einem innovativen, vorausschauenden Produkt- und Verpackungsdesign. Denn die Gestaltung eines Produktes zeichnet für bis zu 80 % der Umweltauswirkungen eines Produkt- Lebenszyklus verantwortlich. Gesetzlich soll diese Gestaltung durch die Ökodesign-Richtline geregelt werden, die damit auch das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz aus dem Jahr 2012 ablöst: alle Produktgruppen auf EU-Ebene werden auf Umweltfreundlichkeit, Kreislauffähigkeit und Energieeffizienz getrimmt.
Recycling nimmt in diesem Prozess eine besondere Rolle ein. Denn nur, wenn die Ausgangsmaterialien recyclingfähig sind, können diese im Sinne der Kreislaufwirtschaft eingebracht werden. Doch hier zeigt sich eine Kluft zwischen grün gezeichneter Zukunft und recycelter Realität.
Renaissance des Recyclings
Recycling bedeutet allgemein die Rückführung eines Abfallstoffs in den Produktionsprozess. Die Materialien, die in einem Produkt oder einer Verpackung verarbeitet wurden, sollen wieder in den Materialkreislauf zurückgeführt werden, um neue Produkte zu fertigen.
Gehen Sie heute durch den Supermarkt, wird Ihnen ggfs. aufgefallen sein, wie viele Verpackungen mit dem Vermerk oder Siegel „recyclingfähig“ oder „aus 100% recyclingfähigem Material – *bis auf Verschlusskappe“ ausgestattet sind. Recycling ist ein Riesen-Image-Faktor in der Nachhaltigkeitskommunikation. In den 80er Jahren startete das Zeitalter der Mülltrennung. Die bis dahin praktizierte Müllentsorgung wurde als einer der Hauptfaktoren der Umweltverschmutzung erkannt. Zum ersten Mal wurde in den Medien die Begrenztheit unserer natürlichen Ressourcen behandelt. Wertstoffe sollten wiederverwertet werden – freiwillig und auf privater Basis. Aus Abfall wurde ein wertvolles Wirtschaftsgut: der Sekundärrohstoff. Doch neben den Altpapiermülleimern blieb Recycling doch eher in den Kinderschuhen stecken.
Denn obwohl die Deutschen eigentlich als fleißige Mülltrennungs-Nation gelten, wurde im weiteren Verlauf die eigene ökologische Verantwortung gerne an Labels ausgelagert. So hat der allseits bekannte Grüne Punkt einen mindestens so grünen Haken: es wurde konzipiert, um Wertstoffe vor der Müllhalde zu retten und stattdessen in den Wertstoffkreislauf rückzuführen. Und natürlich förderte er bei Ottonormalverbraucher den Hang zur Mülltrennung. Doch landeten und landen am Ende Produkte wie Joghurtbecher inklusive Aludeckel und Pappummantelung in derselben gelben Tonne. Eine Garantie dafür, dass das Recycling aller drei Wertstoffe zuverlässig verhindert wird.
Hürden beim Sprung in die Kreislaufwirtschaft
„Regel Nr. 1 der Kreislaufwirtschaft: Plastik ist nicht Plastik“
Martin Stuchtey deutscher Geologe und Wirtschaftswissenschaftler
Mit anderen Worten: Plastik besteht aus Millionen unterschiedlicher Permutationen von Polymeren, Laminaten, Pigmenten, Additiven, Antioxidanzien, Hartmachern und Weichmachern. Und genau diese Summe aus all dessen ist nicht mal eben nicht recyclingfähig (Brandeins, S 35). Zudem funktioniert Recycling nur bei den Sorten Plastik, die sich schreddern und schmelzen lassen, um dann in neue Formen gepresst zu werden.
Wir haben es also bei einer Transformation in eine Kreislaufwirtschaft mit zwei Herausforderungen zu tun: zum einen eine fest etablierte, recht bequeme Wegwerfgesellschaft. Denn bislang war es einfach und kostengünstig, schnell zu kaufen und schnell wegzuschmeißen. Dem über Jahrzehnte hinweg billigen Rohstoff Erdöl sei Dank.
Und zum anderen die Vielfalt von Materialien und deren Zusammenspiel, die in einem Produkt verarbeitet sind und nicht mal eben so getrennt recycelt werden können. Und beide Herausforderungen verstärken sich ungünstig. Und führen aller Voraussicht nach in den nächsten Label-Dschungel:
Recycling: Mechanismus zum „grünwaschen“?
Geben Sie die Keyword-Kombination„recycling“ und „greenwashing“ bei Google ein, werden Sie über eine halbe Million Treffer ernten. Denn bereits heute werden die oben angesprochenen Hürden sichtbar – obwohl sie hinter allerlei Recycling-Versprechen und -Siegeln verborgen bleiben sollen. Und das trifft Verbraucher genauso wie Hersteller! Denn zum einen treten Studien öffentlichkeitsstarker NGOs auf das Medienpodest.
"Industriegruppen und große Unternehmen haben auf Recycling als Lösung gedrängt. Damit haben sie sich jeglicher Verantwortung entzogen"
Lisa Ramsden, Kampagnenleiterin Greenpeace USA (Stern 24.10.2022)
Zum anderen finden sich aber auch immer häufiger falsche Angaben zum recycelten Material. Das täuscht eben nicht nur Verbraucher, sondern zunehmend auch die Hersteller. So handelt es sich bei vielen Verpackungen nicht recyceltes PET, sondern um neu aus Rohöl produziertes Plastik. Da dies schlicht kostengünstiger ist. Was fehlt, ist der transparente, lückenlose Einblick in die unteren Ebenen der Lieferkette.
„Es ist wie bei der Geldwäsche, die Herkunft des PET ist nicht transparent. Sie lässt sich im Handumdrehen verschleiern“
Reinhard Schneider, Inhaber von Werner & Mertz (Öko-Marke „Frosch“)
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Die Notwendigkeit, nicht nur in die Recyclingkette deutlich mehr Über- und Einblick zu erhalten, wächst derzeit massiv an. Die gesetzlichen Entwicklungen auf deutscher und EU-Ebene werfen ihre Schatten voraus:
Die transparente Lieferkette
Ab Januar 2023 greift das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), ein schärferes, auf EU-Ebene geltendes Lieferkettengesetz steht bereits in den Startlöchern.
Das LkSG wird definieren, welche Pflichten Unternehmen bei der Einhaltung des Schutzes von Menschenrechten und Umweltrechten haben, und wird Unternehmen gezielt in die Pflicht nehmen, Risiken und Verletzungen von Menschen- und Umweltrechten entlang ihrer Lieferketten zu identifizieren, zu verhindern, zu beenden oder zumindest zu minimieren.
Des wird eine große Herausforderung für Unternehmen werden:
Von der Rohstoffbeschaffung über die Logistik bis hin zu Produktrückläufen und Recyclingprozessen müssen Unternehmen alle Herstellungs- und Produktionsbedingungen dokumentieren, speichern und ihren Stakeholdergruppen zugänglich machen.
Erfasst wird dabei nicht nur das Handeln im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens, sondern auch das Handeln unmittelbarer und mittelbarer Zulieferer!
Strafe in Höhe von bis zu 2%
des Jahresgesamtumsatzes.
Verstoßen Unternehmen nach Inkrafttreten des LkSG gegen dieses, müssen Geschäftsleitungen mit empfindlichen Sanktionen wie eine Einschränkung des Marktzugangs oder sogar Haftungsrisiken in Höhe von bis zu 2% vom Jahresgesamtumsatzes rechnen. Das LkSG auf europäischer Ebene sieht gar vor, dass Unternehmen auch zivilrechtlich für Schäden haftbar gemacht werden sollen.
In einfachen Worten: Es läuft also auf eine gesetzlich vorgeschriebene, transparente Lieferkette hinaus, um die Wirtschaft in eine Kreislaufwirtschaft zu transformieren.
Der eigenverantwortliche Blick in die Lieferkette
Der Erfolgsweg eines Unternehmens in die Kreislaufwirtschaft läuft dabei aller Voraussicht nach nicht allein in standardisiert-geregelten, durch Gesetze gestaltete Bahnen. Sondern gerade im Hinblick auf eine glaubwürdige Kommunikation in Eigenverantwortung und eigenständigem, proaktiven Handeln.
Hier gewinnt die professionelle Offenlegung, Durchleuchtung und Kontrolle der eigenen Lieferkette – inklusive sämtlicher unmittelbarer und mittelbarer Drittanbieter – einen hohen Stellenwert. Denn in Zukunft wird es zwei Arten von Unternehmen geben: die, die sich auf allgemeine Standards verlassen. Und die Unternehmen, die die Kontrolle in die eigenen Hände nehmen. Raten Sie mal, welche der beiden Gruppen vor Imageschäden besser geschützt sein wird.
Quellennachweise und zum Weiterlesen (Stand Februar 2023)
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Hembach, Holger (2022): Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) (CB - Compliance Berater Schriftenreihe). Fachmedien Recht und Wirtschaft in Deutscher Fachverlag GmbH; 1. Auflage.
Jürgens, Max / Harings, Lothar (2022): Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Umsetzung und Auswirkungen des LkSG in der Praxis. Reguvis Fachmedien; 1. Edition.
Grabosch, Robert (Hrsg.) (2021): Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Nomos; 1. Edition.
Falder, Roland / Frank-Fahle, Constantin / Poleacov, Peter (2022): Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Ein Überblick für Praktiker
Springer Gabler; 1. Aufl. 2022 Edition (7. Mai 2022)
BMAS Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
CSR in Deutschland - Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Deutscher Bundestag verabschiedet Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Deloitte: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in der Praxis
Bayerischer Rundfunk: EU-Länder einigen sich grundsätzlich auf Lieferkettengesetz
Die Initiative Lieferkettengesetz: https://lieferkettengesetz.de
Absatzwirtschaft: Nachhaltigkeit in der Lieferkette: Zeit für Gerechtigkeit
Kreislaufwirtschaft
Rau, Thomas / Oberhuber, Sabine (2021): Material Matters: Wie eine neu gedachte Circular Economy uns zukunftsfähig macht | Die Antwort auf die Klimakrise ist die Kreislaufwirtschaft. Econ; 1. Edition
Münger, Alfred (2021): Kreislaufwirtschaft als Strategie der Zukunft: Nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln und umsetzen. Haufe; 1. Auflage
Beckmann, Martin (2022): Kreislaufwirtschaftsgesetz: Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz mit Verordnungen, Abfallverbringungsrecht. beck im dtv; 23. Edition
Europäisches Parlament: Recht auf Reparatur: Für Produkte, die langlebiger und reparierbar sind
VDI: Zirkuläre Wertschöpfung. Werkstoffliches und chemisches Recycling von Kunststoffabfällen
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
BMUV zur Kreislaufwirtschaft: https://www.bmuv.de/themen/wasser-ressourcen-abfall/kreislaufwirtschaft
Europäische Kommission: Circular economy action plan (CEAP): https://environment.ec.europa.eu/strategy/circular-economy-action-plan_en
Europäische Kommission zum neuen Aktionsplan der Kreislaufwirtschaft: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_420
Recyclingnews: EU-Kommission will nachhaltige Produkte zur Norm machen
EUR Lex (Zugang zu den Originaltexten) A new Circular Economy Action Plan:
Umweltbundesamt: Abfall- und Kreislaufwirtschaft
NABU: Kreislaufwirtschaft:
Koalitionsvertrag ZWISCHEN SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UND FDP: MEHR FORTSCHRITT WAGEN. BÜNDNIS FÜR FREIHEIT, GERECHTIGKEIT UND NACHHALTIGKEIT:
United Nations Global Compact: https://www.unglobalcompact.org/library/205
United Nations Global Compact: Nachhaltigkeit in der Lieferkette:
Deutsche Umwelthilfe: Nachhaltige Lieferketten: https://www.duh.de/themen/natur/naturvertraegliche-landnutzung/nachhaltige-lieferketten/
Europäer Green Deal
BMUV Den ökologischen Wandel gestalten. Integriertes Umweltprogramm 2030.
brand eins Sonderausgabe Der neue grüne Deal Dezember 2020
Bestell-Link: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2020/unterhaltung/folge-01-ein-pakt-fuer-gesundes-wachstum
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
Europäische Kommission: Der Grüne Deal
Bundeszentrale für politische Bildung: The European Green Deal:
DIHK: Worum geht es beim Green Deal?
Ökodesign-Richtlinie
EUR Lex (Originaltexte): On making sustainable products the norm
Umweltbundesamt: Ökodesign-Richtlinie
Süddeutsche Zeitung, 28. März 2022: Wie die EU Produkte ökologischer macht
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
Sustainable Development Goals (SDG)
BMZ: Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung
IHK: Die UN Nachhaltigkeitsziele (SDGs) als Maßstab für verantwortungsvolles Unternehmertum
United Nations Global Compact: https://www.unglobalcompact.org
Recycling
BMUV: Kreislaufwirtschaftsgesetz
BMBF (Plastik): WErtschöpfungsketten gestalten
Rohstoffwissen: https://www.rohstoffwissen.org/initiative/rohstoffkreislauf/
Stiftung zentrale Stelle Verpackungsregister: Mindeststandard recyclinggerechtes Design: https://www.verpackungsregister.org/stiftung-behoerde/mindeststandard-21/grundlegende-informationen
Europäisches Parlament: Recht auf Reparatur: Für Produkte, die langlebiger und reparierbar sind
VDI Zentrum Ressourceneffizienz: https://www.ressource-deutschland.de
Recyclingnews: EU-Kommission will nachhaltige Produkte zur Norm machen
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
ESG & Nachhaltigkeitsberichterstattung
Rat der Europäischen Union: Neue Vorschriften für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen: vorläufige politische Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament
Regularien zum Greenwashing
BMUV Den ökologischen Wandel gestalten. Integriertes Umweltprogramm 2030.
Europäische Kommision: Unfair commercial practices directive
Europäische Kommision: Kreislaufwirtschaft: Kommission schlägt neue Verbraucherrechte vor und will Greenwashing verbieten
NKS / Bundesministerium für Bildung und Forschung: EU legt Vorschläge für nachhaltige Produkte vor
Digitaler Produktpass (DPP)
Digtler Produkpass
Europäisches Parlament Ökodesign-Richtlinie: Steigerung der Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit
BMUV Der BMU Design-Sprint zum Digitalen Produktpass für die Elektromobilität
Umweltbundesamt Förderung des nachhaltigen Konsums durch digitale
Produktinformationen: Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen
BDI Der „Digitale Produktpass“ auf dem Prüfstand
Recyclingnews: EU-Kommission will nachhaltige Produkte zur Norm machen
DKE Digitaler Produktpass: Förderung der Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft durch standardisierte Daten
Europäische Kommission: Circular economy action plan (CEAP): https://environment.ec.europa.eu/strategy/circular-economy-action-plan_en
NCF
NF
Blockchain and our planet: why such high energy use? https://pre-sustainability.com/articles/blockchain-and-our-planet-why-such-high-energy-use/
How NFC can help your business become more sustainable. Download des Whitepapers.
Apple includes NFC in MagSafe accessories for new iPhones
Blockchain
Schneider, Nathan (2022): Proof of Stake: The Making of Ethereum and the Philosophy of Blockchains Seven Stories Press
Blockchain and our planet: why such high energy use? https://pre-sustainability.com/articles/blockchain-and-our-planet-why-such-high-energy-use/
Sandner, Philipp / Tumasjan, Andranik / Welpe, Isabell (2020): Die Zukunft ist dezentral: Wie die Blockchain Unternehmen und den Finanzsektor auf den Kopf stellen wird. BoD – Books on Demand; 1. Edition
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